Kölner Verkehrs-Betriebe AG Geschäftsbericht 2020
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Wesentliche Ereignisse des Geschäftsjahres

Die Stadt Köln hat die KVB im Wege der Direktvergabe nach Art. 5 Abs. 2 der EU-VO 1370/07 und § 108 GWB mit der Fortführung des ÖPNV ab dem 1. Januar 2020 für weitere 22,5 Jahre beauftragt.

Im Rahmen eines von einem privaten Busunternehmen eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 27. April 2020 letztinstanzlich die Direktvergabe der Stadt Köln für rechtmäßig erklärt. Damit steht rechtskräftig fest, dass der am 1. Januar 2020 in Kraft getretene Öffentliche Dienstleistungsauftrag wirksam von der Stadt Köln an die KVB vergeben worden ist.

Über den öffentlichen Dienstleistungsauftrag werden die gemeinwirtschaftlichen Leistungen definiert und ein maximaler Ausgleichsbetrag festgelegt („Soll-Ausgleich“). Sollte der Ist-Ausgleichsbetrag über dem Soll-Ausgleich liegen, liegt der Fall einer Überkompensation vor und die zu viel erhaltenen Ausgleichsleistungen müssen zurückgezahlt werden. Für das Geschäftsjahr 2020 wird das Ergebnis der Prüfung, dass keine Überkompensation vorliegt, Ende Mai 2021 erwartet. Wir stellen diesbezüglich fest, dass der von uns auf Basis des Jahresabschlusses 2020 im Rahmen einer überschlägig durchgeführten beihilferechtlichen Abrechnung ermittelte Ist-Ausgleich den im Öffentlichen Dienstleistungsauftrag vorgegebenen Soll-Ausgleich der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen für das Jahr 2020 nicht überschreitet.

Die Havarie am Waidmarkt hatte im März 2009 zum Einsturz des Historischen Stadtarchivs geführt. Die Stadt Köln und die KVB haben Anträge gestellt, im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens vor dem Landgericht Köln die Ursachen für den Einsturz festzustellen. Diese Aufgabe hat der gerichtlich bestellte Sachverständige Prof. Hans-Georg Kempfert übernommen. Im Mai 2018 hat der Sachverständige die abschließenden Gutachtenteile dem Landgericht Köln vorgelegt. Das Gutachten enthält folgende Kernaussagen:

  • Aus Sicht des Sachverständigen konnten alle Beweisfragen abschließend und vollständig beantwortet werden, ohne dass aus sachverständiger Sicht noch Zweifel an den Ursachen des Einsturzes des Historischen Stadtarchivs vorliegen.
  • Es kann eindeutig festgestellt werden, dass bei der Herstellung der Schlitzwand durch Baufehler unter Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik eine havarieursächliche Fehlstelle an der Schlitzwandfuge 10/11 erzeugt wurde.
  • Mit der eindeutigen Beantwortung aller Beweisfragen könnte aus sachverständiger Sicht die weitere Beweiserkundung eingestellt werden.

Die Feststellungen stimmen mit den Erkenntnissen der seitens der Staatsanwaltschaft Köln beauftragten Sachverständigen überein.

Das Landgericht Köln hatte im Juli 2018 zunächst entschieden, die Beweiserkundung fortzusetzen. Diese Arbeiten wurden jedoch im August 2020 eingestellt, da der Rat der Stadt Köln am 29. Juni 2020 einem Vorschlag der Verwaltung zum Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs zwischen der Arge Nord-Süd Stadtbahn Köln, Los Süd (kurz: Arge Los Süd), der Stadt Köln und der KVB zustimmte. Die Arge Los Süd verpflichtet sich darin zur Zahlung von 600 Mio. € an die Stadt Köln. Mit dieser Zahlung an die Stadt Köln sind auch sämtliche Ansprüche der KVB gegen die Arge Los Süd abgedeckt. Die Arge Los Süd wird außerdem auf eigene Kosten das Gleiswechselbauwerk sanieren und die im ursprünglichen Bauvertrag vereinbarte Bauleistung zur Fertigstellung erbringen. Ferner wird die Arge Los Süd die Kosten für die Errichtung einer Halle für Kunst, Kommunikation und Kultur in der oberen Ebene des Bauwerks übernehmen. Diese Arbeiten werden voraussichtlich, abhängig von der Auswahl der Sanierungsvariante, einen Zeitraum von bis zu neun Jahren in Anspruch nehmen. 

Auf dem Gelände der Abstellanlage Köln-Weidenpesch sind drei neue Gebäude entstanden: eine Abstellhalle inklusive Waschanlage, ein Fahrdienst und ein Lagergebäude. Das neue moderne Regallager wird bereits seit August 2019 genutzt. 1.000 Paletten finden darin Platz. Direkt neben dem Lager steht das neue Fahrdienstgebäude, das im Januar 2021 bezogen wird. Die neue dreigliedrige Abstellhalle wird im April 2021 fertiggestellt und in Betrieb genommen. Auf einer Fläche von 16.000 Quadratmetern bietet sie Platz für 32 Doppeltraktionen. Die Gleise und Bahnsteige wurden Anfang November 2020 fertiggestellt. Um die Abstellanlage mit dem Stadtbahnnetz zu verbinden, entstand eine 800 Meter lange Zulaufstrecke, die auf der Neusser Straße an die Linien 12 und 15 anbindet.

Innovationen

Bereits im Jahr 2015 vergab die KVB den Auftrag über die Lieferung 20 moderner Hochflur-Stadtbahnwagen der Baureihe HF6. Im Dezember des Geschäftsjahres 2020 sind die ersten beiden Fahrzeuge eingetroffen. Sie werden in den nächsten Monaten ausgiebig getestet. Ebenfalls im Dezember erfolgte mit dem Hersteller Bombardier eine Vereinbarung/Beauftragung, nach der weitere sieben Fahrzeuge an die KVB geliefert werden. Bis zum Jahr 2022 wird die Auslieferung der insgesamt 27 Fahrzeuge abgeschlossen sein. Die neuen Fahrzeuge sollen einen Teil der Bestandsfahrzeuge aus den 1970er und 1980er Jahren ersetzen und darüber hinaus den Fuhrpark erweitern. Eine hochwertige Ausstattung mit beispielsweise Klimaanlage, Luftfederung und Multifunktionsanzeiger im Innenraum soll wesentlich zur Verbesserung der Betriebsqualität beitragen, um damit den ÖPNV in Köln noch attraktiver zu machen.

Daneben erfolgte zur Erweiterung und Modernisierung des Kölner ÖPNV im November des Geschäftsjahres 2020 die Vergabe von 62 modernen Niederflur-Stadtbahnen mit einer Länge von rund 60 Metern (sogenannte „Langzüge“) sowie zwei rund 30 Meter langen Niederflurfahrzeugen an ein Konsortium von Alstom Transport Deutschland GmbH und Kiepe Electric GmbH. Die Langzüge, welche die Fahrzeuge der Baureihe K4000 ersetzen, sollen auf der Linie 1 und perspektivisch auch auf der Linie 9 als rund 90 Meter lange Zugverbände fahren.

Die ersten der beim Hersteller VDL Bus & Coach bestellten 53 E-Busse wurden plangemäß im November 2020 ausgeliefert. Allerdings ist die Busproduktion von den Folgen der Covid-19-Pandemie nicht verschont geblieben. In diesem Zusammenhang ist es zu Lieferverzögerungen gekommen. Der Bushersteller und die KVB versuchen mit Hochdruck, den Lieferverzug aufzuholen und die restlichen Teillieferungen planmäßig nach Köln überführen zu lassen. Im Anschluss werden die Fahrzeuge sukzessive in den Linienbetrieb auf den geplanten Linien eingeführt.

Parallel wurde Ende März 2021 ein weiterer Auftrag zur Beschaffung von 51 E-Gelenkbussen erteilt. Die Auslieferung der Fahrzeuge ist ab 2022 geplant. Mit diesen Fahrzeugen sollen weitere sieben Buslinien auf E-Bus-Betrieb umgestellt werden.  

Mit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember 2020 hat die KVB ihre Mobilitätsleistung um ein neues Angebot erweitert: den On-Demand-Service mit Fahrten auf Bestellung. Bei dem neuen Angebot verkehren zehn rollstuhlgerechte Fahrzeuge mit Elektroantrieb nachfrageorientiert und unabhängig von festen Routen oder vorgegebenen Fahrplänen in vorerst drei Bediengebieten – wochentags zur Feinerschließung der Quartiere und am Wochenende als Nacht-Shuttle. Ziel des Projektes ist es, positive Effekte für die Verkehrswende auch dort zu erreichen, wo derzeit noch überwiegend der Individualverkehr genutzt wird. Darüber hinaus dient Isi zur Feinerschließung von Gebieten, wo besonders viele Seniorinnen und Senioren leben, die weiter als 300 Meter von der nächsten Haltestelle entfernt wohnen. Die Kunden buchen ihre Fahrt über die sogenannte Isi-App oder telefonisch. Der Kauf des Tickets erfolgt ebenfalls über die Isi-App oder per Kredit- oder EC-Karte im Fahrzeug. Kunden mit vorhandenem VRS-Ticket fahren tagsüber kostenlos; nachts wird für alle Kunden ein Nachtzuschlag erhoben. Die Fahrzeuge sind mit einem Mobiltelefon ausgestattet, auf dem die Beförderungswünsche der Kunden eingespielt werden. Der Verkauf von Tickets erfolgt über ein Tablet. Bei entsprechender räumlicher Nähe werden die Fahrtwünsche mehrerer Kunden vom System automatisch gebündelt. Das System navigiert den Fahrer / die Fahrerin, den Fahrtwünschen der Kunden entsprechend, zu den Start- bzw. Zielorten der Fahrgäste. Die Fahrgäste werden im Bediengebiet an einer der rund 3.000 virtuellen Haltestellen (feste Adressen ohne Markierung) abgeholt und zur ihrem Ziel nächstliegenden virtuellen Haltestelle befördert. Eine entsprechende Ladeinfrastruktur mit zehn Ladesäulen für die Elektro-Autos wurde auf dem Betriebshof Nord aufgebaut. Der On-Demand-Service versteht sich als Ergänzung zum bereits bestehenden ÖPNV-Verkehr in Köln. 

Infolge der Covid-19-Pandemie wurden die KVB-Leihräder im Geschäftsjahr 2020 deutlich seltener genutzt. Die Anzahl an Fahrten sank um 36 % von knapp 1,2 Mio. Fahrten im Jahr 2019 auf weniger als 0,8 Mio. Fahrten im Geschäftsjahr 2020. Die Zahl der registrierten Kunden stieg dagegen um rund 20.000 auf mehr als 162.000. Die Steigerung löste jedoch keine erkennbaren Push-Effekte aus. Der Rückgang der Fahrten korrelierte erkennbar mit den Fahrgastrückgängen im gesamten ÖPNV. Beim KVB-Rad zeigte sich dieser Effekt am deutlichsten bei den Hauptnutzergruppen der SemesterTicket- und JobTicket-Inhaber. Die Fahrtenzahl der SemesterTicket-Nutzer fiel auf 45 % des Vorjahreswerts und die der JobTicket-Nutzer sogar auf 38 % des Vorjahreswerts. Der typische positive, parabelförmige Verlauf der Monate April bis September bildete sich im Geschäftsjahr nicht aus.

Das stadtweite KVB-Leihradangebot konnte im Geschäftsjahr erfolgreich neu vergeben werden. Die Firma nextbike erhielt am 1. September 2020 den Zuschlag aus dem Bieterverfahren für weitere fünf Jahre. Das neue Angebot wird zum Frühjahr 2021 auf dem gesamten Stadtgebiet Köln an den Start gehen und die nun fünf Jahre alten Räder ablösen. Die Kunden können sich über viele Verbesserungen an den Rädern, aber auch über Bewährtes, wie die 30 Freiminuten je Ausleihe für VRS-Stammkunden, freuen. Die Flotte des KVB-Rades wird zunächst auf 3.000 Leihräder vergrößert. Derzeit sind rund 1.500 Leihräder im Einsatz.

Mit Ende des Vertrages im April 2020 wurde das Leistungsangebot für die Kunden im Rahmen eines Interimsvertrages mit nextbike für das Geschäftsjahr 2020 sichergestellt. Der Interimsvertrag endet mit der geplanten Inbetriebnahme im April 2021.

Das Projekt „Intermodal Transport Control System“ (ITCS) soll den Informationsaustausch und die Kommunikation zwischen den Fahrern auf der Strecke und der Leitstelle verbessern. Zudem soll das neue Fahrgastinformationssystem zeitgleich auch die Fahrgäste über aktuelle Fahrzeiten informieren. Der im Jahr 2019 beauftragte Austausch von rund 450 Fahrgastinformationsanzeigern im Stadtbahnbereich wurde im Berichtsjahr technisch so weit vorbereitet, dass der Austausch im ersten Quartal 2021 durchgeführt werden kann. Die neuen Anzeigesysteme werden den Fahrgästen mehr Service und Komfort bieten. Farbige Darstellungen und Piktogramme werden relevante Informationen klar strukturiert und schnell erfassbar vermitteln.

Im Berichtsjahr wurde ferner die Ausrüstung von 171 Stadtbahnwagen und 167 Bussen mit modernen Multifunktionsanzeigern beauftragt, welche die Fahrgäste zukünftig umfangreich informieren. Diese Maßnahme wird voraussichtlich Ende des Jahres 2022 abgeschlossen sein.

Weiterhin wurde im Berichtsjahr ein neues Auskunftssystem beauftragt, das dem Kunden bei der Reiseplanung von zu Hause sowie über die KVB-App mehr Service und Komfort bietet. Das neue Auskunftssystem wird voraussichtlich im ersten Quartal 2021 einsatzbereit sein. 

Die Universität zu Köln und die Hochschule Bonn/Rhein-Sieg beteiligen sich an der Entwicklung eines datenbasierten Forschungs- und Entwicklungs-Förderprogramms (Modernitätsfonds mFUND) unter der Federführung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. In diesem Zusammenhang wurde die Stadt Köln, und damit verbunden die KVB, für die Entwicklung und den Test einer offenen Plattform für maschinelles Lernen mit Mobilitätsdaten ausgewählt. Bereits vorhandene Daten, wie geografische Parameter, Wetterdaten, Orte von Interesse (POI) und Eventdaten, sollen auf der Plattform mit mobilitätsspezifischen Daten zusammengeführt werden und für Anwender eine grafische Benutzeroberfläche zur Visualisierung von Daten bieten. Die KVB wird sich an dem Verbundprojekt beteiligen.