Kölner Verkehrs-Betriebe AG Geschäftsbericht 2019
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Risiken- und Chancenbericht

Das im Unternehmen implementierte Risikomanagementsystem sichert mit vierteljährlich stattfindenden Risikoinventuren die permanente Überwachung von Risikofaktoren. Über die Erfüllung der Anforderungen des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) hinaus dient es dem frühzeitigen Erkennen sowie der Steuerung von Risiken, die potenziell die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der KVB gefährden. Das System ermöglicht es somit, künftige Handlungsspielräume besser zu nutzen.

Die konzernweite Unternehmensrevision prüft die Abläufe des Systems sowie dessen Wirksamkeit und Angemessenheit.

Im Rahmen des Risikomanagementprozesses werden alle identifizierten Risiken des operativen und strategischen Geschäftes analysiert und dokumentiert, nach Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit eingestuft sowie in die Unternehmenssteuerung integriert. 

Klassifizierung der Eintrittswahrscheinlichkeiten:

   
Sehr hoch über 50 % bis 100 %
Hoch über 20 % bis 50 %
Mittel über 5 % bis 20 %
Gering bis 5 %

Die Klassifizierung der Schadenshöhen orientiert sich an der Höhe des Jahresergebnisses und erfolgt für die KVB aktuell gemäß der folgenden Tabelle:

   
Gravierend über 100 Mio. €
Wesentlich über 50 Mio. € bis 100 Mio. €
Moderat über 25 Mio. € bis 50 Mio. €
Niedrig bis 25 Mio. €

In den Risikomanagementprozess sind Vorstand, Konzernleitung und Aufsichtsrat durch regelmäßige Berichterstattung eingebunden. Die Meldeschwelle für diese Berichterstattung beträgt 3 Mio. € Netto-Schadenswert (sowohl bei Ergebnisrisiken als auch bei reinen Cashflow-Risiken). Diese Meldeschwelle wird auch dem hier vorliegenden Risiken- und Chancenbericht hinsichtlich des Ausweises konkreter Risiken zugrunde gelegt. 

Zusätzlich zur regulären Abfrage erfolgt bei unvorhergesehenen wesentlichen Veränderungen eine Berichterstattung in Form einer Ad-hoc-Meldung.

Im Folgenden werden mit Stand vom 31. Dezember 2019 alle bedeutsamen Risiken der KVB – bezogen auf das Geschäftsjahr 2020 – aufgeführt. Darunter sind keine Risiken bekannt, die den Fortbestand der KVB gefährden. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des Unglücksfalls am Waidmarkt.

Im Nachfolgenden wird konkret auf die Risiken und Chancen der zukünftigen Entwicklung der KVB eingegangen:

Marktrisiken und -chancen

Die weiter anhaltende Dynamisierung struktureller und verhaltensbezogener Entwicklungen – wie der demografische Wandel, der Klimawandel und veränderte Wertvorstellungen vor allem der jüngeren Generation – und die laufende Diskussion um Dieselfahrverbote, emissionsfreie Antriebe und neue, solidarisch finanzierte Tarifmodelle werden die Bedeutung des ÖPNV weiterhin erhöhen. Dies stellt für die KVB eine wesentliche Chance dar, die zugleich mit neuen Herausforderungen verbunden ist. Konkrete wesentliche Marktrisiken bestehen für die KVB per 31. Dezember 2019 jedoch keine.

In den Folgejahren wird ein Anstieg der Umsatzerlöse erwartet, der aus einer gestärkten Kundennachfrage und regelmäßigen Tarifpreisanpassungen im Verkehrsverbund resultiert. Um die Kundennachfrage zu steigern, strebt die KVB attraktivitätssteigernde Maßnahmen an, indem sie das Fahrplanangebot ausweitet und den Service stetig verbessert, insbesondere hinsichtlich digitaler Angebote. Begleitend betreibt die KVB nach wie vor ein konsequentes Kostenmanagement.

Rahmenbedingungen und rechtliche Risiken

Zum 31. Dezember 2019 existieren für die KVB folgende wesentliche Risiken, die rechtliche Rahmenbedingungen beziehungsweise bestehende Verträge betreffen.

Wegfall der Direktvergabefähigkeit

Die Betrauung der KVB mit der Durchführung des ÖPNV im Kölner Stadtgebiet sowie mit der Durchführung der sogenannten interlokalen Verkehre endete zum 31. Dezember 2019 (Bestandsbetrauung). Voraussetzung war die Einhaltung der Vorgaben der Betrauung, insbesondere die Einhaltung der vier Altmark-Trans-Kriterien des EuGH-Urteils vom 24. Juli 2003 sowie der Vorgaben der jährlich zu erstellenden Anhangsrechnung der VO 1370/07. Für das Geschäftsjahr 2019 wird das Ergebnis der Prüfung Ende Mai 2020 erwartet. Derzeit liegen keine konkreten Hinweise dafür vor, dass die Kriterien im vergangenen Geschäftsjahr nicht eingehalten wurden.

Wie bereits unter dem Punkt „Wesentliche wirtschaftliche Ereignisse“ erwähnt, hat der Rat der Stadt Köln die KVB im Wege der Direktvergabe nach Art. 5 Abs. 2 der EU-VO 1370/07 bzw. § 108 GWB mit der Fortführung des ÖPNV ab dem 1. Januar 2020 für 22,5 Jahre beauftragt. Anfang Mai 2019 hat ein Busunternehmen bei der Vergabekammer Rheinland einen Nachprüfungsantrag gestellt. Die Entscheidung des OLG in zweiter und letzter Instanz wird am 27. April 2020 erwartet. Das Risiko, dass die Direktvergabe unwirksam ist bzw. die Direktvergabefähigkeit (Ergebnisrisiko) wegfällt, wird als gering bewertet.

Risiken aus strittigen Nachträgen aus dem Bau der Nord-Süd Stadtbahn

Gegenüber den ursprünglichen Angeboten kam es vor allem im Bereich der Rohbauerstellung zu Mehrkostenanzeigen beziehungsweise zu Nachträgen durch die Auftragnehmer. Diese Mehrkostenanzeigen und Nachträge werden eingehend geprüft. Während der Prüfphase werden Nachträge als strittig bezeichnet und als potenzielles Risiko erfasst. Es handelt sich hierbei um reine Cashflow-Risiken.

Betriebsrisiken

Die Fahrzeuge und technischen Anlagen setzt die KVB mit einem hohen Grad an Zuverlässigkeit und Sicherheit sowie unter Berücksichtigung gegebener Umweltstandards ein. Technischen Ausfallrisiken sowie umweltbezogenen Risiken begegnet das Unternehmen mit einer permanenten Verbesserung des technischen Standards. Zum 31. Dezember 2019 wird das folgende konkrete Betriebsrisiko ausgewiesen:

Jahrhunderthochwasser

Von einem möglichen Jahrhunderthochwasser wäre der Linienbetrieb in großen Teilen Kölns betroffen. Eine mögliche Folge wäre – neben der Beeinträchtigung des Stadtbahn- und Seilbahn-Betriebs – die Beschädigung der Betriebstechnik vor allem in der U-Bahn. Aufgrund der Vielzahl der durch die KVB eingeleiteten sowie etablierten Gegensteuerungsmechanismen wird das Gefährdungspotenzial dieses Risikos jedoch als gering eingeschätzt.

Finanzrisiken

Zum 31. Dezember 2019 ist das folgende konkrete Finanzrisiko auszuweisen:

Nord-Süd Stadtbahn: Absinken der Standardisierten Bewertung auf einen Wert kleiner 1

Mittels einer Standardisierten Bewertung wird der volkswirtschaftliche Nutzen des bezuschussten Baus der Nord-Süd Stadtbahn bewertet und hieraus die Bezuschussungsfähigkeit dieser Baumaßnahme abgeleitet. Für die KVB existiert das Risiko (Cashflow), dass die Standardisierte Bewertung der Nord-Süd Stadtbahn auf einen Wert kleiner 1 fällt und damit die Zuschussfähigkeit des Anteils der KVB an der Baumaßnahme gefährdet ist. 

Finanzielle Risiken aus dem Unglücksfall Waidmarkt bestehen nach heutiger Einschätzung nicht, da den entstehenden Mehrkosten und eventuell gegen die KVB gerichteten Schadenersatzansprüchen in gleicher Höhe Ausgleichsansprüche gegen Dritte beziehungsweise die Stadt Köln gegenüberstehen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Stadt Köln mit Schreiben vom 9. März 2015 einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Höhe von 122 Mio. € wegen des Einsturzes des Historischen Archivs infolge des Waidmarktunglücks gegenüber der KVB geltend gemacht hat, sofern aus dem kombinierten Haftpflicht- und Bauleistungsversicherungsvertrag eine entsprechende Versicherungsleistung tatsächlich zur Auszahlung kommt.

Pandemie

Zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2019 war das Risiko einer Pandemie durch den aktuellen Virus SARS-CoV-2 (Coronavirus) noch nicht absehbar. Durch diese Pandemie besteht das Risiko einer Einschränkung der ÖPNV-Leistungen mit daraus resultierenden Mindereinnahmen und ggf. Mehrkosten durch Schutzmaßnahmen. Zum 16. März 2020 wurden einschneidende Maßnahmen im öffentlichen Leben zur Vermeidung sozialer Kontakte verhängt, weshalb zum 18. März 2020 ein angepasster Fahrplan in Kraft getreten ist, der eine geringere Taktung vorsieht. Dies führt zu Mindereinnahmen und damit zu einer zusätzlichen Belastung des Ergebnisses in 2020.

Im Allgemeinen sind durch den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit dem Stadtwerke Köln Konzern (SWK) finanzielle Risiken des operativen Geschäftes für die KVB weitgehend ausgeschlossen. Darüber hinaus sind für Risiken des operativen Geschäftes adäquate Versicherungslösungen abgeschlossen worden beziehungsweise im Bedarfsfall vorgesehen, um finanzielle Konsequenzen auf ein tragbares Maß zu reduzieren.  

Mit der Änderung gesetzlicher, vertraglicher sowie gesellschaftsstruktureller Rahmenbedingungen sind finanzielle Risiken des strategischen Geschäfts verbunden. Hinsichtlich solcher Änderungen werden frühzeitig geeignete Strategien entwickelt und entsprechende Maßnahmen abgeleitet sowie umgesetzt. So begegnet die KVB der Situation rückläufiger Finanzierungsmittel für den ÖPNV mit Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, das gegebene Potenzial des Wachstums auf der Einnahmenseite auszuschöpfen (wie oben ausgeführt) und die Kostenseite weiter zu optimieren. Auch wird die Wirtschaftlichkeit kontinuierlich verbessert und dadurch weiterhin Mobilität auf hohem Niveau gewährleistet.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind keine Risiken bekannt, die den Fortbestand der KVB gefährden. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des Unglücksfalls am Waidmarkt und den wirtschaftlichen Folgen aus der Corona-Krise.

Soweit Risiken ein außerordentlich hohes Schadenspotenzial aufweisen, besteht für das Eintreten lediglich eine geringe Wahrscheinlichkeit. Gegen alle heute bereits erkennbaren Risiken des operativen und strategischen Geschäftes wurden entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Um auch unvorhergesehene zukünftige Herausforderungen bewältigen zu können, setzt die KVB darauf, das gegebene Potenzial des Wachstums auf der Einnahmenseite auszuschöpfen und die Kostenseite weiter zu optimieren.