Energetisch voran

Energetisch
voran

Energetische Sanierung von Wohngebäuden
Die Stegerwaldsiedlung in Köln-Mülheim ist ein europäisches Vorzeigeprojekt. Das Kölner Wohnungsbauunternehmen DEWOG und die RheinEnergie haben die Nachkriegshäuser energetisch saniert und smart vernetzt. Sie schaffen damit ein zukunftsfähiges Konzept, das Klimaschutz, Mobilität und Lebensqualität miteinander verbindet.

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Wenn RheinEnergie-Projektleiter Christian Remacly durch die Straßen der Stegerwaldsiedlung im Kölner Stadtteil Mülheim läuft, blickt er stolz auf die frisch sanierten Gebäude. Auf den Dächern blitzen Solarzellen, die Wärmepumpen antreiben, E-Autos laden und günstigen Mieterstrom liefern. Überschüssige Energie wird in Akkus gespeichert. Statt Gasheizungen gibt es nun Luft-Wärme-Pumpen und Fernwärmeanschlüsse. Algorithmen berechnen und verwalten den Energiebedarf.

Aus der Nachkriegssiedlung ist eines der smartesten Viertel Kölns geworden. Und auch europaweit ist das Projekt einzigartig: Die Mehrfamilienhäuser aus den 1950er Jahren sind nicht nur aufwendig modernisiert, sondern Teil einer richtungsweisenden Vision. Es geht darum, Mobilität und Energie intelligent zu vernetzen, mehr Wohnraum in den übervollen Metropolregionen zu schaffen, bestehende Gebäude energetisch auf den neuesten Stand zu bringen und so zum Klimaschutz beizutragen. All das selbstverständlich ohne die ansässige Bevölkerung zu verdrängen.

Für eine nachhaltige Stadtentwicklung

Die Stegerwaldsiedlung ist als Modellvorhaben in das EU-Projekt GrowSmarter eingebunden, über das europaweit Smart-City-Lösungen rund um Energie, Infrastruktur und Transport gefördert werden. Die Europäische Union will damit die Luftqualität im urbanen Raum verbessern, Feinstaubbelastung und Energieverbrauch reduzieren sowie einen Beitrag zu nachhaltiger Mobilität leisten.

Köln gehört mit Stockholm und Barcelona zu den ersten drei Leuchtturmstädten. Gemeinsam haben sie Fördergelder aus dem EU-Forschungsprogramm „Horizon 2020“ erhalten, zu dem auch das GrowSmarter-Projekt gehört. Insgesamt 25 Millionen Euro flossen aus EU-Töpfen in Vorhaben der drei Städte, 7,3 Millionen Euro davon gingen nach Köln, der Löwenanteil wiederum in die Stegerwaldsiedlung.

700

Wohneinheiten

1,100

Bewohner

41

Luft-Wasser-Wärmepumpen

38,500

Quadratmeter Gesamtwohnfläche

760,000

Kilowattstunden Strom produzieren
die Fotovoltaikanlagen jährlich

Energiepotenziale heben

Herzstück des Kölner Vorhabens ist die energetische Sanierung der Gebäude. Die Kölner Wohnungsbaugesellschaft DEWOG, der die Mehrfamilienhäuser der Stegerwaldsiedlung gehören, hat Fassaden, Dächer und Kellerdecken dämmen lassen, die Fenster dreifach verglast. Die neuen Aufzüge an den Außenfassaden arbeiten mit sogenannter Rekuperation, gewinnen beim Bremsen also Energie zurück. „Allein das spart schon eine Menge Energie“, sagt Remacly, der bei der RheinEnergie für das Projekt zuständig ist.

Der Kölner Energiedienstleister und -versorger hat die Dächer der Gebäude mit Fotovoltaikanlagen ausgerüstet, die jedes Jahr 760.000 Kilowattstunden Strom produzieren – so viel, wie rund 360 Zwei-Personen-Haushalte verbrauchen. Mit der Energie betreibt die RheinEnergie Wärmepumpen, der Überschuss steht als günstiger Mieterstrom zur Verfügung.

Was die Mieter nicht verbrauchen, fließt ins Netz und steht damit beispielsweise zum Laden von E-Autos zur Verfügung. Der Solarstrom treibt auch die 41 Luft-Wärme-Pumpen an, die in der Siedlung verteilt sind. Sie produzieren einen Großteil der zum Heizen benötigten Wärme. Reicht deren Leistung einmal nicht aus, kommt klimaschonend erzeugte Fernwärme zum Einsatz.

Bevölkerungszuwachs

Für eine wachsende Stadt

Bis zum Jahr 2040 werden in Köln voraussichtlich 1,15 Millionen Menschen leben. Damit die Stadt für alle lebenswert bleibt, arbeitet der SWK-Konzern an innovativen Mobilitätslösungen, nachhaltigen Energiekonzepten und bezahlbarem Wohnraum.

1.150.000
1.100.000
1.050.000
1.000.000
950.000
2010
2015
2020
2025
2030
2035
2040
Quelle: Stadt Köln – Amt für Stadtentwicklung und Statistik

Mobilität neu gedacht

Nicht nur in Sachen Energie sticht die Stegerwaldsiedlung heraus. Auch der zentrale Mobilitätshub mit Elektroautos, Leihfahrrädern, Ladesäulen und einer Bushaltestelle der Kölner Verkehrs-Betriebe ist in der Region einzigartig. Die Bewohner des Quartiers können sich über eine App Fahrräder reservieren oder schauen, welche Ladesäule und welcher Parkplatz in der Siedlung gerade frei sind. Sogar der Akku-Füllstand der Carsharing-Autos und das aktuelle Verkehrsaufkommen lassen sich anzeigen. Über die Mobilitäts-App sollen die Mieter künftig auch Mitfahrgelegenheiten organisieren – und so ihren ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich halten.

Digitalisierung im Quartier

Wenn der Algorithmus den Stromverbrauch regelt

Der weitgehend unsichtbare Motor des Stegerwaldquartiers ist das Siedlungsmanagement. Selbstlernende Algorithmen sorgen dafür, dass erzeugte und verbrauchte Energie stets optimal aufeinander abgestimmt sind. Der Algorithmus lernt dazu und weiß bereits nach kurzer Zeit, wann Energie gebraucht wird und wann nicht. Das Ziel der smarten Vernetzung: Möglichst viel der vor Ort erzeugten Energie soll auch in der Siedlung verbraucht werden.

Dafür wertet das System fortlaufend Verbrauchs- und Klimadaten aus und regelt auf der Basis dieser Daten für die kommenden 36 Stunden die Energieerzeugung. Ändern sich der Verbrauch oder das Wetter, passt der Algorithmus auch die Mengenplanung an. Produzieren die Solaranlagen an sonnenreichen Tagen mehr Strom als benötigt, fließt dieser in einen von 16 Batteriespeichern. Zudem lässt er sich über ein mit dem Siedlungsmanagement verbundenes virtuelles Kraftwerk an der Strombörse vermarkten.

Für eine lebenswerte Stadt

Der SWK-Konzern gibt mit der Stegerwaldsiedlung eine Antwort auf gleich mehrere der drängendsten Probleme unserer Zeit. Neben Klimaschutz und erneuerbaren Energien rückt die wachsende Bevölkerung als Thema der Zukunft zunehmend in den Fokus. Immer mehr Menschen ziehen in die Städte – und benötigen bezahlbaren Wohnraum. Da es aber kaum Platz für Neubauten gibt, müssen die Bestandsgebäude entsprechend umgerüstet werden. Die 16 Gebäude der Stegerwaldsiedlung waren zum größten Teil viergeschossig. Im Rahmen der Sanierung erhielten elf Gebäude ein neues Dachgeschoss. So entstanden 95 neue Wohnungen mit insgesamt 5.000 m² Wohnfläche.

Auch die energetische Sanierung sowie das neue Siedlungsmanagement zahlen sich bereits aus: Der Energieverbrauch des Quartiers ist von 140 Kilowattstunden je Quadratmeter auf nun 40 Kilowattstunden gesunken. Und: Der CO2-Ausstoß ist bis zu 70 Prozent geringer. Für Remacly war das alle Anstrengung wert: „Ein verzahntes Energie- und Mobilitätskonzept, das mithilfe von Daten gesteuert wird, ist unsere Zukunft. Und die sollte so umweltfreundlich wie möglich sein.“

»Das Viertel soll bezahlbarer Wohnraum bleiben – für alle Kölnerinnen und Kölner.«

Christian Remacly,
Unternehmensentwicklung RheinEnergie und Projektleiter der Stegerwaldsiedlung

Drei Fragen an …

… Christian Remacly, Unternehmensentwicklung RheinEnergie und
Projektleiter der Stegerwaldsiedlung.

Herr Remacly, Sie wurden 2015 mit dem Projekt Stegerwaldsiedlung betraut. Wie ist Ihre Bilanz?

Das Projekt zeigt den Wandel, den die RheinEnergie gerade durchläuft. Wir sind längst nicht mehr nur ein reiner Energielieferant, sondern Dienstleister und Manager. Die energetische Sanierung der Stegerwaldsiedlung war eine Herausforderung, da die Bewohner während des Umbaus quasi auf einer Baustelle gewohnt haben. Viele haben nicht direkt verstanden, warum wir das eigentlich tun.

Wie haben Sie das Problem gelöst?

Mit massiver Öffentlichkeitsarbeit. Wir haben beispielsweise Vorträge gehalten, Info-Flyer in die Briefkästen geworfen, Smart-Home-Systeme verschenkt, Kaffee und Kuchen angeboten und dabei immer erklärt, was wir hier tun und warum das notwendig ist. Die Resonanz war allerdings ernüchternd. Zu den Veranstaltungen kamen nur 50 bis 80 Bewohner – da hatten wir ehrlich gesagt auf mehr gehofft.

Viele waren sicherlich skeptisch, weil sie sich vor einer horrenden Mieterhöhung gefürchtet haben, oder?

Das erklärt bestimmt einen Teil der Skepsis. Für alle Projektbeteiligten war von Anfang an klar: Das Viertel soll bezahlbarer Wohnraum bleiben – für alle Kölnerinnen und Kölner. Die DEWOG hat sich mit der Stadt Köln darauf geeinigt, dass die Mieten deutlich unter zehn Euro pro Quadratmeter bleiben müssen. Außerdem darf eine Mieterhöhung nicht mehr als 200 Euro monatlich ausmachen. Inzwischen ist ein Großteil der Bewohner von dem neuen Konzept und den Angeboten überzeugt. Die Siedlung hat nun ein neues freundlicheres und innovatives Gesicht bekommen.